Eine Timeline.
Diese Timeline beschreibt die Entstehung und Entwicklung der sogenannten „Mühl-Kommune“.
Sie wurde im Rahmen vom FWF PEEK-Projekt zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte der Mühl-Sekte [AR 568] erstellt.
Mühl schildert in „Weg aus dem Sumpf“, wie er sich wahrnahm zu Beginn der Gründung der Praterstraßen WG:
„als ich 1970 in einer 120 m2 (sic) grossen wohnung alleine sass, war mein KFleben zu ende. ich war 45 Jahre alt. die lust an der kunst war mir total vergangen. es schien mir sinnlos, allein in der wohnung sitzend, kunst zu basteln, aktionen zu entwerfen. ich war kein künstler, der sich zurückzog, auf das leben und kommunikation mit anderen menschen verzichten konnte, um alle unerüllten bedürfnisse durch kunst zu ersetzen. ich erkannte die wertlosigkeit der kunst. ich wollte kein solcher künstler sein. ich wollte dieses schmalspurleben des künstlers nicht. ich hatte immer kunst getrieben, um anderen zu beweisen, dass noch mehr in mir steckte, als ein armseliger, unfreier, durch die verhältnisse eingeengter kleinfamilienmensch.“
Mühl, Otto: Weg aus dem Sumpf. Nürnberg 1977, S. 179
Ankauf Friedrichshof (FH) im Herbst
Im Herbst 1972 erwirbt die Gruppe erste Grundstücke am Friedrichshof (FH). Kommunarde Otmar Bauer kauft mit rasch „zusammengekratzten“ Geld dem Besitzer ein zentrales Grundstück mit altem Schulhaus und aufgelassenem Wasserturm ab—Weitere Grundstücke folgen.
Otto Mühl verfasst 1973 das Kommunemanifest. Unter anderem wird die Auflösung der Zweierbeziehung und des Privateigentums proklamiert. Das Leben selbst wird zur Kunst erhoben.
L AA-Parabel, aus: AAO. Pro & Contra. Kritische Stellungnahmen zur AAO. AA-Verlag 1977, S. 70.
Gründung des AA-Magazins und des AA- Shops in Neusiedl
Zusammenschluss mehrerer Gruppen zu einer Großgruppe (AA-Kommune). Beginn des Ausbau Infrastruktur Friedrichshof. Erste Shops (AA-Magazine) entstehen. Im Hinterzimmer des AA-Magazins in Neusiedl am See, wird der AA-Verlag untergebracht. Die erste Nummer der AA-Nachrichten erscheint. Gründung von Handwerksbetrieben (Tischlerei, Malerei).
Otto Mühl malt wieder -
Mal- und Zeichenkurse werden für alle verpflichtend
Otto Mühl nimmt die Malerei wieder auf. Noch ein Jahr zuvor schreibt er in den AA-Nachrichten: „in der berufs- rolle künstler wird die darstellung der krankheit, das kranksein selbst als beruf anerkannt. die produktion des künstlers ist nutzlose sinnlose produktion“ (aus: AA Nachrichten, Heft 2/1975, S. 12.14) Ein Jahr später macht er künstlerischer Betätigung zur Pflicht: „Jeder ist Künstler!“
In Folge werden Mal- und Zeichenkurse für alle Kommunard:innen verpflichtend eingeführt. Eine Auseinandersetzung zum Umgang mit den Werken Mühls, die in der Kommune-Zeit entstanden sind, steht bis heute aus. Die Werke aus der Kommunezeit sind in einem Kontext von sexualisierter Gewalt entstanden — ein Umstand, der in den aktuellen Publikationen (u. a. otto muehl – works 1956–2010. Sammlung Friedrichshof. Herausgegeben von Hubert Klocker, 2019) und Ausstellungen nicht berücksichtigt wird. Darauf hat die Intervention der Gruppe MATHILDA im Rahmen eines Eingriffs bei der Finissage zur Werkschau Muehls am Friedrichshof hingewiesen.
Gründung der Stadtgruppen
Die AAO hat europaweit bereits 450 Mitglieder. Stadtgruppen in Deutschland, und der Schweiz (Kommunen in Frankreich und Skandinavien folgen), sind entstanden und tragen zum gemeinsamen Kommunenhaushalt bei. Die Gruppen gründen Unternehmen, Handwerksbetriebe und Geschäfte.
Investionen am Friedrichshof
Große Investitionen am FH werden getätigt und die mangelnde Rentabilität der gruppeneigenen Betriebe führen zu einer wirtschaftlichen Krise. Auflösung des Gemeinschaftseigentums. Die Gruppenmitglieder arbeiten in den verschiedensten Berufen außerhalb der Kommune. Einzelne Kommunarden beginnen als Börsentrader zu arbeiten.
Gründung der Privatschule Friedrichshof
Auflösung der gruppeneigenen Handwerksfirmen, Versicherungsverkäufe werden zu einem weiteren profitablen Geschäftszweig.
Die Kommune hat gute Verbindungen zur Politik: Das Wohlwollen des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky und die persönliche Unterstützung des burgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery helfen beim Ausbau des Friedrichshofes.
Gründung einer Genossenschaft -
Gemeinschaftsbau Friedrichshof
Gründung einer Genossenschaft (Gemeinschaftsbau Friedrichshof). Einsetzung des 12er Rat als ökonomisches Entscheidungsgremium. Es gibt zahlreiche Stadtgruppen in den verschiedensten europäischen Städten. Das Gemeinschaftseigentum wird wieder eingeführt. Der Friedrichshof wird zunehmend von den Einnahmen der Mitglieder aus den Stadtgruppen abhängig. Dies veranlasst Otto Mühl und seine Führungsriege, die Außenstellen enger an die Zentrale anzubinden und das Gemeinschaftseigentum wieder einzuführen, so dass sämtliche Einkommen in eine gemeinsame Haushaltskasse am Friedrichshof fließen.
Lili-Bau
Baubeginn der großen Wohnhausanlage (Lilibau). Finanzierung durch Wohnbauförderung. Straffe Organisation mittels Gruppenleiter*innen und öffentlichen Strukturwahlen. Beginn einer „Säuberungswelle“ („Erste Auszugswelle“). Etliche Mitglieder werden angehalten die Kommune zu verlassen.
Gründung Wassergenossenschaft
und Bohrung eines Trinkwasserbrunnens
Die Infrastruktur am Friedrichshof wird weiter ausgebaut. Brunnenbohrung am Friedrichhof: Für den Bau eines Tiefbrunnens mitsamt Reservoir für die Trinkwasserversorgung wurde eine eigene Wassergenossenschaft gegründet, die ebenfalls öffentliche Fördermittel lukrieren konnte. Errichtung eines zentralen Versorgungshauses (Wasserwerk, Heizhaus).
Die Mitgliederanzahl der Kommune erreicht ihren Höhepunkt: 600 Mitglieder in 25 Gruppen in Europa. Auch die Geburtenrate steigt kontinuierlich. Zahlreiche Kinder kommen auf die Welt. Die Kinder wachsen oft getrennt von ihren Müttern auf. Über 80 Kinder leben am Friedrichshof und besuchen den Projektunterricht der kommuneeigenen Privatschule.
Stadtgruppen werden reduziert -
Haus in Berlin?
Die Stadtgruppen in ganz Europa wurden in Großgruppen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammengefasst. Die überbleibenden rentablen Stadtgruppen sind nun in Berlin, Düsseldorf, Gevelsberg, München und Zürich. Finanzunternehmen werden gegründet. Ständiger Wechsel der Gruppenmitglieder zwischen den verbliebenen Stadtgruppen und der Zentrale am Friedrichshof (Anm. „Urlaub am Friedrichshof“).
Das Leben in den Stadtgruppen drehte sich nunmehr hauptsächlich um das Geldverdienen in den neu entstandenen, kommuneeigenen Vertriebsfirmen, wo dank Arbeitsteilung und innovativen Verkaufsmethoden große finanzielle Erfolge erzielt werden konnten. Kritik an diesen Veränderungen wurde nicht geduldet, wer nicht einverstanden war, musste aus der Gemeinschaft ausziehen, die Zahl der erwachsenen Kommunard*innen schrumpft in Folge auf etwa 350 Personen.
Castello wird gebaut | Tschernobyl
Die Kommune kapselt sich zusehends von der Außenwelt ab. Die Unzufriedenheit der Mitglieder nimmt zu.
Das „Castello“ mit dem weithin sichtbaren, charakteristischem Turm wird fertiggestellt. In der neuen Anlage sind ein Wohnheim, eine Großküche mit Speisesaal, Kühl- und Lagerräumen sowie Schutzräumen untergebracht.
Anzeige gegen Otto Mühl – Aschebilder
Die Unzufriedenheit mit der totalitären Führung von Otto und Claudia Mühl nimmt unter den Kommunard:innen zu. Bisher waren kritische Kommunard*innen zum Auszug gedrängt worden.
1988 jedoch gelang es einigen eine Anzeige aufgrund von sexuellem Missbrauch gegen Otto Mühl einzubringen. Die daraufhin eingeleiteten Voruntersuchungen der Staatsanwaltschaft stärkten die Stellung der internen Kritiker:innen. Um etwaige Beweise zu vernichten, lässt Otto Mühl — von La Gomera aus — in einer groß angelegten Aktion das Gemeinschaftsarchiv und die Wohnungen der Gruppenmitglieder am Friedrichshof durchsuchen. Alle persönlichen Aufzeichnungen, wie Tagebücher, der Gruppenmitglieder werden — ohne deren Wissen — eingesammelt und in der örtlichen Heizanlage verbrannt. Die Asche wird in Kisten gefüllt und zwischengelagert. Bei seiner Rückkehr im Frühjahr 1989 verarbeitet Muehl sie in seinen sogenannten „Aschebildern“. Einige Aufzeichnungen entgehen dieser „Säuberungsaktion“.
L Ohne Titel (Aschebild), 1989 Mischtechnik auf Leinwand 141 x 141 cm
Kommune – Sekte
In der Presse erscheinen zahlreiche äußerst kritische Artikel gegen Otto Mühl und die Kommune. Otto Mühl schafft für einige Monate in der Kommune die Struktur ab. Einige Monate später – als er merkt, dass er an Macht verliert – führt er sie jedoch wieder ein. Otto Mühl verliert seine Autorität bei den Jugendlichen, die in der Kommune aufwachsen. Viele der Jugendlichen, die aus der Kommune ausgezogen sind, machen Aussagen bei der Polizei gegen Otto Mühl.
Vaterschaftstests
Seit Herbst 1989 leiten die Reformer:innen in der Kommune eine grundlegende Umstrukturierung ein, auch um die Vermögensverhältnisse transparent zu machen und die Entscheidungsstrukturen zu demokratisieren.
Zu diesem Zweck soll eine Genossenschaft (Die Friedrichshof Wohnungsgenossenschaft) gegründet werden. In diese sollen die Sachwerte der Gemeinschaft eingebracht werden, insbesondere die Liegenschaften am Friedrichshof und in El Cabrito sowie die Kunstsammlung, die im Laufe der Achtzigerjahre aufgebaut worden war. Im Gegenzug soll jedes Kommunemitglied gleiche Genossenschaftsanteile übertragen bekommen und das Recht zu haben in freien, geheimen Wahlen die Leitungsgremien zu bestimmen. Bei allen Kindern und allen sich freiwillig meldenden Männern der Kommune werden Vaterschaftstest durchgeführt. Es kommt zu zahlreichen Vaterschaftsan- und aberkennungen.
Auflösung Kommune
Mit 01.01.1991 wird die Kommune aufgelöst und die Friedrichshof Wohnungsgenossenschaft übernimmt den laufenden Betrieb. Die Firmen der Stadtgruppen werden von Einzelpersonen oder jeweils mehreren Personen aufgekauft. Die Zahlungen der Stadtgruppen an den Friedrichshof werden eingestellt.
Verhaftung Otto Mühls
Otto Mühl wird im Sommer 1991 verhaftet und ein halbes Jahr später (13. November 1991) in einem Gerichtsverfahren in Eisenstadt wegen Unzucht mit Unmündigen, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses und Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Quelle
Projektwebsite des FWF PEEK-Projektes PPC [AR 568]
zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte der Mühl-Kommune
Eine Timeline.
Diese Timeline beschreibt die Entstehung und Entwicklung der sogenannten „Mühl-Kommune“.
Sie wurde im Rahmen vom FWF PEEK-Projekt zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte der Mühl-Sekte [AR 568] erstellt.
Mühl schildert in „Weg aus dem Sumpf“, wie er sich wahrnahm zu Beginn der Gründung der Praterstraßen WG:
„als ich 1970 in einer 120 m2 (sic) grossen wohnung alleine sass, war mein KFleben zu ende. ich war 45 Jahre alt. die lust an der kunst war mir total vergangen. es schien mir sinnlos, allein in der wohnung sitzend, kunst zu basteln, aktionen zu entwerfen. ich war kein künstler, der sich zurückzog, auf das leben und kommunikation mit anderen menschen verzichten konnte, um alle unerüllten bedürfnisse durch kunst zu ersetzen. ich erkannte die wertlosigkeit der kunst. ich wollte kein solcher künstler sein. ich wollte dieses schmalspurleben des künstlers nicht. ich hatte immer kunst getrieben, um anderen zu beweisen, dass noch mehr in mir steckte, als ein armseliger, unfreier, durch die verhältnisse eingeengter kleinfamilienmensch.“
Mühl, Otto: Weg aus dem Sumpf. Nürnberg 1977, S. 179
Ankauf Friedrichshof (FH) im Herbst
Im Herbst 1972 erwirbt die Gruppe erste Grundstücke am Friedrichshof (FH). Kommunarde Otmar Bauer kauft mit rasch „zusammengekratzten“ Geld dem Besitzer ein zentrales Grundstück mit altem Schulhaus und aufgelassenem Wasserturm ab—Weitere Grundstücke folgen.
↑ AA-Parabel, aus: AAO. Pro & Contra. Kritische Stellungnahmen zur AAO. AA-Verlag 1977, S. 70.
Otto Mühl verfasst 1973 das Kommunemanifest. Unter anderem wird die Auflösung der Zweierbeziehung und des Privateigentums proklamiert. Das Leben selbst wird zur Kunst erhoben.
Gründung des AA-Magazins und des AA- Shops in Neusiedl
Zusammenschluss mehrerer Gruppen zu einer Großgruppe (AA-Kommune). Beginn des Ausbau Infrastruktur Friedrichshof. Erste Shops (AA-Magazine) entstehen. Im Hinterzimmer des AA-Magazins in Neusiedl am See, wird der AA-Verlag untergebracht. Die erste Nummer der AA-Nachrichten erscheint. Gründung von Handwerksbetrieben (Tischlerei, Malerei).
Otto Mühl malt wieder -
Mal- und Zeichenkurse werden für alle verpflichtend
Otto Mühl nimmt die Malerei wieder auf. Noch ein Jahr zuvor schreibt er in den AA-Nachrichten: „in der berufs- rolle künstler wird die darstellung der krankheit, das kranksein selbst als beruf anerkannt. die produktion des künstlers ist nutzlose sinnlose produktion“ (aus: AA Nachrichten, Heft 2/1975, S. 12.14) Ein Jahr später macht er künstlerischer Betätigung zur Pflicht: „Jeder ist Künstler!“
In Folge werden Mal- und Zeichenkurse für alle Kommunard:innen verpflichtend eingeführt. Eine Auseinandersetzung zum Umgang mit den Werken Mühls, die in der Kommune-Zeit entstanden sind, steht bis heute aus. Die Werke aus der Kommunezeit sind in einem Kontext von sexualisierter Gewalt entstanden — ein Umstand, der in den aktuellen Publikationen (u. a. otto muehl – works 1956–2010. Sammlung Friedrichshof. Herausgegeben von Hubert Klocker, 2019) und Ausstellungen nicht berücksichtigt wird. Darauf hat die Intervention der Gruppe MATHILDA im Rahmen eines Eingriffs bei der Finissage zur Werkschau Muehls am Friedrichshof hingewiesen.
Gründung der Stadtgruppen
Die AAO hat europaweit bereits 450 Mitglieder. Stadtgruppen in Deutschland, und der Schweiz (Kommunen in Frankreich und Skandinavien folgen), sind entstanden und tragen zum gemeinsamen Kommunenhaushalt bei. Die Gruppen gründen Unternehmen, Handwerksbetriebe und Geschäfte.
Investionen am Friedrichshof
Große Investitionen am FH werden getätigt und die mangelnde Rentabilität der gruppeneigenen Betriebe führen zu einer wirtschaftlichen Krise. Auflösung des Gemeinschaftseigentums. Die Gruppenmitglieder arbeiten in den verschiedensten Berufen außerhalb der Kommune. Einzelne Kommunarden beginnen als Börsentrader zu arbeiten.
Gründung der Privatschule Friedrichshof
Auflösung der gruppeneigenen Handwerksfirmen, Versicherungsverkäufe werden zu einem weiteren profitablen Geschäftszweig.
Die Kommune hat gute Verbindungen zur Politik: Das Wohlwollen des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky und die persönliche Unterstützung des burgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery helfen beim Ausbau des Friedrichshofes.
Gründung einer Genossenschaft -
Gemeinschaftsbau Friedrichshof
Gründung einer Genossenschaft (Gemeinschaftsbau Friedrichshof). Einsetzung des 12er Rat als ökonomisches Entscheidungsgremium. Es gibt zahlreiche Stadtgruppen in den verschiedensten europäischen Städten. Das Gemeinschaftseigentum wird wieder eingeführt. Der Friedrichshof wird zunehmend von den Einnahmen der Mitglieder aus den Stadtgruppen abhängig. Dies veranlasst Otto Mühl und seine Führungsriege, die Außenstellen enger an die Zentrale anzubinden und das Gemeinschaftseigentum wieder einzuführen, so dass sämtliche Einkommen in eine gemeinsame Haushaltskasse am Friedrichshof fließen.
Lili-Bau
Baubeginn der großen Wohnhausanlage (Lilibau). Finanzierung durch Wohnbauförderung. Straffe Organisation mittels Gruppenleiter*innen und öffentlichen Strukturwahlen. Beginn einer „Säuberungswelle“ („Erste Auszugswelle“). Etliche Mitglieder werden angehalten die Kommune zu verlassen.
Gründung Wassergenossenschaft
und Bohrung eines Trinkwasserbrunnens
Die Infrastruktur am Friedrichshof wird weiter ausgebaut. Brunnenbohrung am Friedrichhof: Für den Bau eines Tiefbrunnens mitsamt Reservoir für die Trinkwasserversorgung wurde eine eigene Wassergenossenschaft gegründet, die ebenfalls öffentliche Fördermittel lukrieren konnte. Errichtung eines zentralen Versorgungshauses (Wasserwerk, Heizhaus).
Die Mitgliederanzahl der Kommune erreicht ihren Höhepunkt: 600 Mitglieder in 25 Gruppen in Europa. Auch die Geburtenrate steigt kontinuierlich. Zahlreiche Kinder kommen auf die Welt. Die Kinder wachsen oft getrennt von ihren Müttern auf. Über 80 Kinder leben am Friedrichshof und besuchen den Projektunterricht der kommuneeigenen Privatschule.
Stadtgruppen werden reduziert -
Haus in Berlin?
Die Stadtgruppen in ganz Europa wurden in Großgruppen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammengefasst. Die überbleibenden rentablen Stadtgruppen sind nun in Berlin, Düsseldorf, Gevelsberg, München und Zürich. Finanzunternehmen werden gegründet. Ständiger Wechsel der Gruppenmitglieder zwischen den verbliebenen Stadtgruppen und der Zentrale am Friedrichshof (Anm. „Urlaub am Friedrichshof“).
Das Leben in den Stadtgruppen drehte sich nunmehr hauptsächlich um das Geldverdienen in den neu entstandenen, kommuneeigenen Vertriebsfirmen, wo dank Arbeitsteilung und innovativen Verkaufsmethoden große finanzielle Erfolge erzielt werden konnten. Kritik an diesen Veränderungen wurde nicht geduldet, wer nicht einverstanden war, musste aus der Gemeinschaft ausziehen, die Zahl der erwachsenen Kommunard*innen schrumpft in Folge auf etwa 350 Personen.
Castello wird gebaut | Tschernobyl
Die Kommune kapselt sich zusehends von der Außenwelt ab. Die Unzufriedenheit der Mitglieder nimmt zu.
Das „Castello“ mit dem weithin sichtbaren, charakteristischem Turm wird fertiggestellt. In der neuen Anlage sind ein Wohnheim, eine Großküche mit Speisesaal, Kühl- und Lagerräumen sowie Schutzräumen untergebracht.
Anzeige gegen Otto Mühl – Aschebilder
↑ Ohne Titel (Aschebild), 1989 Mischtechnik auf Leinwand 141 x 141 cm
Die Unzufriedenheit mit der totalitären Führung von Otto und Claudia Mühl nimmt unter den Kommunard:innen zu. Bisher waren kritische Kommunard*innen zum Auszug gedrängt worden.
1988 jedoch gelang es einigen eine Anzeige aufgrund von sexuellem Missbrauch gegen Otto Mühl einzubringen. Die daraufhin eingeleiteten Voruntersuchungen der Staatsanwaltschaft stärkten die Stellung der internen Kritiker:innen. Um etwaige Beweise zu vernichten, lässt Otto Mühl — von La Gomera aus — in einer groß angelegten Aktion das Gemeinschaftsarchiv und die Wohnungen der Gruppenmitglieder am Friedrichshof durchsuchen. Alle persönlichen Aufzeichnungen, wie Tagebücher, der Gruppenmitglieder werden — ohne deren Wissen — eingesammelt und in der örtlichen Heizanlage verbrannt. Die Asche wird in Kisten gefüllt und zwischengelagert. Bei seiner Rückkehr im Frühjahr 1989 verarbeitet Muehl sie in seinen sogenannten „Aschebildern“. Einige Aufzeichnungen entgehen dieser „Säuberungsaktion“.
Kommune – Sekte
In der Presse erscheinen zahlreiche äußerst kritische Artikel gegen Otto Mühl und die Kommune. Otto Mühl schafft für einige Monate in der Kommune die Struktur ab. Einige Monate später – als er merkt, dass er an Macht verliert – führt er sie jedoch wieder ein. Otto Mühl verliert seine Autorität bei den Jugendlichen, die in der Kommune aufwachsen. Viele der Jugendlichen, die aus der Kommune ausgezogen sind, machen Aussagen bei der Polizei gegen Otto Mühl.
Vaterschaftstests
Seit Herbst 1989 leiten die Reformer:innen in der Kommune eine grundlegende Umstrukturierung ein, auch um die Vermögensverhältnisse transparent zu machen und die Entscheidungsstrukturen zu demokratisieren.
Zu diesem Zweck soll eine Genossenschaft (Die Frie- drichshof Wohnungsgenossenschaft) gegründet werden. In diese sollen die Sachwerte der Gemeinschaft eingebracht werden, insbesondere die Liegenschaften am Friedrichshof und in El Cabrito sowie die Kunstsammlung, die im Laufe der Achtzigerjahre aufgebaut worden war. Im Gegenzug soll jedes Kommunemitglied gleiche Genossenschaftsanteile übertragen bekommen und das Recht zu haben in freien, geheimen Wahlen die Leitungsgremien zu bestimmen. Bei allen Kindern und allen sich freiwillig meldenden Männern der Kommune werden Vaterschaftstest durchgeführt. Es kommt zu zahlreichen Vaterschaftsan- und aberkennungen.
Auflösung Kommune
Mit 01.01.1991 wird die Kommune aufgelöst und die Friedrichshof Wohnungsgenossenschaft übernimmt den laufenden Betrieb. Die Firmen der Stadtgruppen werden von Einzelpersonen oder jeweils mehreren Personen aufgekauft. Die Zahlungen der Stadtgruppen an den Friedrichshof werden eingestellt.
Verhaftung Otto Mühls
Otto Mühl wird im Sommer 1991 verhaftet und ein halbes Jahr später (13. November 1991) in einem Gerichtsverfahren in Eisenstadt wegen Unzucht mit Unmündigen, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses und Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Projektwebsite des FWF PEEK-Projektes PPC [AR 568]
zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte der Mühl-Kommune